DGPs-Vorstand und Kommission Open Science unterstützen "Stop Tracking Science" - Initiative
Wir veröffentlichen an dieser Stelle einen Aufruf der DGPs vom 22. November 2021.
Liebe DGPs-Mitglieder,
zunehmend sammeln große Wissenschaftsverlage große Datenmengen über Forschungsinteressen, Onlineverhalten und Publikationsindikatoren von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Als Datenquellen
dienen verschiedene Webseiten (z.B. von Journals und gewerblichen Repositorien) und scheinbar harmlose kostenlose Software (wie z.B. Mendeley), die umfangreiche Nutzungsdaten übermittelt, zum
Beispiel: Welche Papers schauen Sie wie oft an? Welche Stellen im Paper markieren Sie? Welche Software haben Sie sonst noch auf Ihrem Computer installiert? An welchem Ort haben Sie sich bei jeder
Nutzung der Webseite oder Software aufgehalten? (siehe beispielhaft diese Privacy Policy). Diese Daten werden darüber hinaus mit anderen
Datenquellen verknüpft (z.B. Informationen aus sozialen Netzwerken). Auch wenn Sie im Browser Cookies ablehnen, kann Ihr Computer eindeutig identifiziert werden (browser fingerprinting, nach
deutschem Verständnis am Rand der Legalität), so dass Ihre Onlineaktivitäten aus verschiedenen Datenquellen miteinander verknüpft werden
können. An manchen Standorten liefert sogar die Bibliothekssoftware der Universitäten, die durch Plugins der Verlage „erweitert“ wurde, Daten an die Verlage.
Die umfangreichen, personalisierten Daten werden über all diese Quellen aggregiert und Hochschulen, aber auch anderen Parteien, wie zum Beispiel der US-amerikanischen Grenzschutzbehörde, zum Kauf angeboten. Dieses Tracking wird zunehmend zum Geschäftsmodell großer
Verlage. Elsevier sieht zum Beispiel nicht mehr im klassischen Publikationswesen, sondern im Bereitstellen von Daten über Forschende und deren Forschungsaktivitäten einen primären Geschäftsbereich:
„Elsevier will essentially accept a ‚zero revenue growth‘ position for its journal in exchange for the universities purchasing a large set of their data analytics products.“ (Leaked Dutch Contract with Elsevier Raises Significant Alarm Bells - SPARC).
Die Verwendung dieser Trackingdaten von Forschenden gefährdet die Wissenschaftsfreiheit in erheblichem Maße. Was kann die wissenschaftliche Gemeinschaft tun, um diesen Praktiken
entgegenzuwirken?
Auf individueller Ebene können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ...
… (oft kostenlose) Software und Webseiten vermeiden, bei denen Nutzungsdaten im großen Stil abgegriffen werden (auch Mendeley oder SSRN) und stattdessen Open-Source Alternativen zur
Verwaltung von Referenzen etc. nutzen (z.B. Zotero | Your personal research assistant).
… Preprints nicht auf kommerzielle Server wie SSRN, academia.edu oder Researchgate stellen, sondern nicht-kommerzielle Server wie psychArchives (ZPID), psyArxiv (COS) oder Zenodo (CERN)
nutzen.
… für sich überlegen, inwiefern man Verlage, die das Science-Tracking im großen Stil nutzen, weiterhin unterstützen möchte (etwa indem man für die entsprechenden Fachzeitschriften als Editor
tätig ist).
Auf institutioneller Ebene können Fachbereiche, Fakultäten, Institute und Universitäten ...
… die San Francisco Declaration on Research Assessment (DORA) unterzeichnen und umsetzen.
… in Berufungskommissionen nicht SciVal, Clarivate Tools oder vergleichbare intransparente Produkte zur Auswahl in Bewerbungs- und Berufungsverfahren nutzen, welche auch auf besagten
Trackingdaten beruhen.
… offene Infrastrukturen, die eine Alternative zu den kommerziellen Verlagen darstellen, unterstützen. Viele Bibliotheken spenden bereits einen Teil ihres Etats an solche Infrastrukturen, z.B.
DOAJ, Sherpa/Romeo, PKS Open Journal Systems, oder OSF und PsyArxiv. Solche Investitionen in offene Infrastrukturen haben einen transformativen Nutzen, der die Freiheit und Effizienz in der
Wissenschaft nachhaltig erhöhen kann.
Der Vorstand der DGPs hat DORA am 22. November 2021 unterzeichnet und möchte die DGPs-Mitglieder motivieren, dies ebenfalls zu tun.
Mit freundlichen Grüßen
der DGPs-Vorstand und die DGPs-Kommission Open Science
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Deutsche Gesellschaft für Psychologie
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